Gewalt in Games

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Wie gefährlich ist sie wirklich für die soziale Verarmung und Gewalttaten?

Brutale Gewalttaten wie diverse Amokläufe in den USA und Deutschland erschüttern die Öffentlichkeit und lassen uns immer wieder nach den Ursachen fragen. In diversen Fällen der Amokläufe stellte sich heraus, dass die Täter sich zuvor sehr intensiv mit gewaltverherrlichenden Computerspielen wie beispielsweise „Counter-Strike“ beschäftigt hatten. Das Überraschende daran ist, dass Abschnitte des Tatverlaufs eine Übereinstimmung mit Szenen aus Computerspielen aufwiesen. Deshalb werden diese Spiele auch als Ursache solcher Tragödien angesehen. Doch kann man davon ausgehen, dass Jugendliche, die sich intensiv der Gewalt in Computerspielen aussetzen, eher zu solchen Taten neigen und Brutalität legitimieren? Lassen diese Spiele jeden der viel spielt und schiesst, zum potentiellen Amokläufer werden?

Zusammenhang umstritten

Aktuelle Forschungsbefunde zur Wirkung von Gewaltdarstellungen auf Jugendliche bestätigen keine einfache Korrelation zwischen dem Konsum medialer Gewalt und dem, was Kinder und Jugendliche daraus machen. Sie bestätigen lediglich dass manche Formen von Mediengewalt für manche Individuen unter manchen Bedingungen negative Folgen nach sich ziehen können. Jedoch konstatieren sie aber auch, dass Gewaltdarstellungen mit einem Wirkungsrisiko verbunden sind und sich das Risiko negativer Konsequenzen für den einzelnen Jugendlichen erhöhen kann. Vorallem aber besteht in der Forschung der Konsens, dass zumindest bei bestimmten Individuen, die eine hohe Aggressivität und soziale Isolation charakterisieren und Problemgruppen aus gewalttätigen Subkulturen, eine negative Wirkung von Gewaltdarstellungen anzunehmen ist [5]. Gewaltprobleme müssen an den gesellschaftlichen Wurzeln angepackt werden. Lehrer und Familien müssen im Umgang mit problematischen Jugendlichen unterstützt werden und gegebenenfalls psychologische Betreuung bekommen. Damit mindert man nicht nur Verzweiflungs- und Gewalttaten, man gibt den betroffenen Jugendlichen neue Perspektiven und Chancen ihr Leben zu verbessern. Profitieren wird davon die ganze Gesellschaft, während allein das Verbot gegen Computerspiele das Gewaltproblem nicht lösen kann. Dass Eltern wissen, mit welchen Spielen ihre Kinder umgehen, mit den Kindern darüber reden und Werte bezüglich Gewalt vermitteln, die sie gegebenenfalls auch mit Verboten durchsetzen sollten, sei warscheinlich die wichtigste praktische Konsequenz, die sich aus der Untersuchung von Dr. Rita Steckel und Dr. Clemens Trudewind [2] ergibt. Ein weiterer, interessanter Link zum Thema Computersucht: www.computersucht-besiegen.com

Sichere Eltern-Bindung ist sehr wichtig

Um die Mechanismen zu untersuchen, die die Spiele auf die psychischen Faktoren erklären, stützt man sich oft auf die Motivationstheorie der Aggression von Kornadt [4]. Aggressives Verhalten kommt aus Zusammenwirken äusserer Einflüsse und innerer Einstellung. Die Gesamtheit der Faktoren in der Person bezeichnet man als Motivsystem der Aggression mit Tendenz zur Aggression oder Aggressionshemmung. Beide Tendenzen sind ständig reaktionsbereit. Aggressives Verhalten entsteht wenn die Aggressionsneigung durch bestimmte äussere Reize stärker aktiviert wird als die Aggressionshemmung. Das Problem bei den Computerspielen ist, dass sie sehr viele Reize enthalten, die das Motivsystem Aggression aktivieren. Bei einem Kind, das immer wieder von neuem gefordert ist, Aggression und Brutalität auszuüben, um das Spielziel zu erreichen, kann die Lust an Gewalt wachsen. Es entsteht eine Sensibilisierung der Problemlösung durch Gewalt. Die Gewaltausübung ist somit mit Erfolgserlebnissen verknüpft, was Kornadt als „lustvolle Aggression“ beschreibt [4]. Brutalität wird im Spiel legitimiert – man muss so grausam vorgehen, um die Menschheit zu retten. Dem Spieler bleibt keine Zeit für Mitgefühl mit dem Gegner und es wird stets belohnt, andere zu verletzen und zu vernichten. Dabei hat es für den Spieler nie direkte, spürbare Konsequenzen, wenn er jemanden umbringt oder selbst dahinscheidet. In einem Experiment wurden 8 bis 14-jährige Kinder auf die emotionale Desensibilisierung untersucht. Es zeigte sich, dass bei intensivem und langem Umgang mit Gewaltspielen die Entwicklung der Empathie und der Mitleidensfähigkeit Schaden nimmt und damit ein wichtiger Hemmfaktor für Aggression geschwächt wird. Kinder die Gewalt und Aggression im Computerspiel als positiv bewerten und mit den Eltern unsicher gebunden sind, weisen eine starke Aggressionsneigung auf. Hier wird deutlich, wie wichtig eine sichere Bindung zwischen Eltern und Kindern ist [2]. Gewaltspiele können zu Gewalt führen, sagt der Kriminologe Christian Pfeiffer aus Hannover, der die Wirkungen von Computerspielen genau erforscht hat. Er kommt zum Schluss: «In Verbindung mit anderen Belastungsmerkmalen, beispielsweise bei innerfamiliärer Gewalt oder wenn man sozial am Rande steht, ein Aussenseiter ist, dann gewinnen diese Spiele plötzlich sehr an Bedeutung. Sie sind ein Weg, um Anerkennung zu ernten, Zustimmung zu bekommen. Von da her erhöhen sie das Risiko von Gewalt.»

Fazit

Hirnforscher, Kriminologen und Pädagogen sind sich in dieser Frage uneinig. Wissenschaftlich ist der Zusammenhang zwischen Gewalt in Computerspielen und realer Gewalt umstritten. Die einen sind überzeugt, dass Killerspiele gerade bei labilen Jugendlichen zu einer erhöhten Gewaltbereitschaft führen. Andere – z.B. die Schweizer Gaming-Branche, die 2007 rund 420 Millionen Franken Umsatz erwirtschaftet hatte (Kassensturz, 01.04.2008) [3] – behaupten, diese Spiele würden höchstens das Seh- und Reaktionsvermögen verbessern, zur Entspannung verhelfen und Abwechslung in die tägliche Routine bringen [7]. Fest steht, dass Gewaltdarstellung in Computerspielen immer realistischer wird. Brutalität und Zerstörung sind deren zentralen Inhalte und sie werden immer schneller, härter und deren virtuelle Grausamkeit stets realistischer [7].Momentan existieren noch wenig empirische Studien über die Auswirkungen von brutalen Computerspielen auf die Spielenden. Die wenigen experimentellen Studien zeigen allerdings, dass der Umgang mit Gewalt in Computerspielen das Aggressionsverhalten, aggressive Gedanken und Gefühle bei Kindern und jungen Erwachsenen sehr wohl beeinflusst [1] [2]. Prof. Dr. Michael Kunczik und Dr. Astrid Zipfel fassen in „Medien und Gewalt. Befunde der Forschung seit 1998“ (S. 290) zusammen, dass die Auswirkungen von Mediengewalt auf das Aggressionsverhalten am ehesten bei jüngeren, männlichen Personen zu erwarten sei, die in Familien mit hohem Gewaltkonsum aufwachsen und in ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld viel Gewalt erleben. Sie müssten bereits eine violente Persönlichkeit besitzen und Medieninhalte konsumieren, in denen Gewalt auf realistische Weise und/oder in humorvollem Kontext gezeigt würde, die gerechtfertigt erscheint und von attraktiven, dem Rezipienten möglicherweise ähnlichen Protagonisten mit hohem Identifikationspotenzial, die erfolgreich wären und für ihr Handeln belohnt und dem Opfer keinen sichtbaren Schaden zufügen würden [5]. Doch was macht die Faszination der Gewalt im Computerspiel aus? Anonym kann man sich mit Übung in immer höhere Levels spielen und sich so bei Mitspieler Respekt und Beachtung erspielen. Der Spieler wird im eigenen Team zum respektierten Mitstreiter einer wichtigen Mission und für den Gegner zum machtvollen Protagonisten. Man ist quasi im Kopf des Helden und sieht sich im Spiel aus der Sicht des Kämpfers. Der virtuelle Kampf bekommt auf diese Art den Charakter einer naturgetreuen Simulation. Man ist nicht mehr der Einzelgänger, der in der Schule ausgegrenzt wird und mit dem nur wenige etwas zu tun haben möchten. Man kann zur wichtigen Schlüsselfigur werden. Blut vergiessen wird belohnt, Gewalt wird zum Sinnbild eines legitimen Auftrags. Im Spiel hat Brutalität ausschließlich positive Konsequenzen für den Aggressor. Eric Beyer, Videospiel-Experte sagt es sei die beengende Atmosphäre, die schnelle Reaktion, die gefordert wird und das Meistern der stressvollen psychischen Anspannung, dass ein Spiel dieses Genres erfolgreich wird [3]. Nicht alle Jugendlichen sind gleich stark beeinflusst. Vielmehr geht es bei den potentiell Gefährdeten um junge Menschen, die keine starke Eltern-Bindung haben. Wenn diese psychisch instabil sind, sich von anderen abkapseln und einen starken Bezug sowie Zugang zu Computerspielen haben, in denen Gewaltdarstellungen gezeigt werden, wird es kritisch. Beim Vorfall in Winnenden (D), bei dem ein Schüler zuerst 15 Mitschüler und dann sich selbst richtete, beschrieben Mitschüler den Täter verschieden: mal als sehr ruhig, in sich gekehrt, nie als aggressiv und mit besonderem Musikgeschmack, mal als Angeber, der mit neusten Handys und Geld geprahlt und Stunden vor dem Computer verbracht und Ballerspiele wie Counter-Strike gespielt und Horror-Filme am PC angesehen hatte. Im Unterricht hätte er auf den Boden gestarrt und wollte alleingelassen werden. Freunde hatte er keine. Er habe viel mit Soft-Air Pistolen herumhantiert und sein Vater hätte ihm Waffenhobby und Schützenverein nähergebracht. Man darf trotzdem Killerspiele nicht an den Pranger stellen. Vielmehr sollte man hinterfragen, warum beispielsweise der Täter von Winnenden Zugang zu den Waffen seiner Eltern hatte. Ein weiteres Problem liegt sicher auch in der physischen Unausgeglichenheit, die sich durch langes Spielen ohne körperliche Betätigung einstellt. Man hat nichts erschaffen, alles ist virtuell. Dies kann zusätzlich zu Frustration und Aggression führen. In der Schweiz wurden und werden immer wieder Versuche für ein nationales Verbot von Killerspielen lanciert. Für besonders brutale Spiele existiert der Artikel StGB §135 des Schweizerischen Strafgesetzbuches, der alle Arten von Medien betrifft [6]. Natürlich ist es klar, dass man nicht über Medienzensur eine heile Welt erreichen kann. Ein Verbot der gewaltvollen PC-Spiele ist eventuell nicht sinnvoll, da die Jugendlichen clever genug sind, sich die Spiele illegal zu besorgen.


Quellenverzeichnis
  • [1]: Anderson, C.A. & Bushman, B.J. (2001). Effects of violent video games on aggressive behavior, aggressive cognition, aggressive affect, physiological arousal, and prosocial behavior: A meta-analytic review of the scientific literature. Psychological Science, 12, 353-359.
  • [2]: Dr. Steckel, Rita und Dr. Trudewind Clemens (2002). Geisteswissenschaften. Es ist doch nur ein Spiel [online]. Abgerufen am 23.02.2010 unter: http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rbin2_02/pdf/trudewind.pdf
  • [3]: Kassensturz (01.04.2008). Killergames: So einfach kaufen Kinder ein [online]. Abgerufen am 23.02.2010 unter: http://videoportal.sf.tv/video?id=1fd0a0dc-fa37-4bb1-9a5b-8f15aad3fbb0;DCSext.zugang=videoportal_interessant
  • [4]: Kornadt, H.-J. (1982). Aggressionsmotiv und Aggressionshemmung. Empirische und theoretische Untersuchungen zu einer Motivationstheorie der Aggression und zur Konstruktvalidierung eines Aggressions-TAT. Bd. I. Bern: Huber.
  • [5]: Kunczik, Michael und Zipfel, Astrid (2004). Medien und Gewalt: Befunde der Forschung seit 1998. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
  • [6]: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Art. 135. Gewaltdarstellungen [online]. Abgerufen am 23.02.2010 unter: http://www.admin.ch/ch/d/sr/311_0/a135.html
  • [7]: SF Wissen. Dossier Games und Gewalt (20.01.2010) [online]. Abgerufen am 23.02.2010 unter http://www.sf.tv/sfwissen/dossier.php?docid=10783&navpath=med

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