Art Basel 2014

brainfireKunst und seine Ausgeburten

Art-Basel-2014

Art Basel.

Art Basel.

Image

Dekadenz hat einen grossen Namen

Nach gut 2 Jahren Pause wagte ich mich erwartungsvoll und neuen Mutes wieder einmal an die Art Basel 2014. Wow, etwas Neues: Ein neuer Mittelgang aus schwarzen, brusthohen Stellwänden wartete darauf, durchschritten zu werden. Wer weiss, wem das dient? Nun gut, wo beginne ich? Ich wusste, dass im ebenerdigen Geschoss eher gemalte Kunst und in den oberen Geschossen mehr die Installationen zu finden waren. Betrachten wir doch erstmals die Kunstobjekte im Erdgeschoss. OK, es war dann doch eher ein Durchschreiten der ganzen Farben- und Formenfreiheiten, da meine Augen ihre Mühe hatten, einen Fixpunkt auszumachen, auf dem sie ruhen und verweilen wollten – zu gross war der innere Aufschrei ob der Willkürlichkeit, Dekadenz und vielmals Einfachheit der ausgestellten Exponate. Meine Grafiker- und Fotografenseele wollte wenigstens 10-15 Gründe betrachten, um den horrenden Eintrittspreis von CHF 45.-, den Kaffee für CHF 6.50 und die 5 km, die ich heute wahrscheinlich gehen werde zu rechtfertigen. Ganz zu schweigen vom klitzekleinen Salätchen im Plastikbecher mit 3 Brocken Fetakäse, einem kleinen Bier und ein billiges Weissbrot-Brötchen, das mir eine Dame für CHF 28.- verkaufen wollte und ich zum Glück – zwar sehr überrascht – aber mit aller Bestimmtheit abgelehnt habe. Ein Gast neben mir hatte sich 2 kleine Flutes für satte CHF 36.- bestellt… Hallo, liebe Kunstmesse?

Der Mensch ist so einfach

Erneut ist mir im Kontext zu Kunst- und Massenveranstaltungen aufgefallen, wie einfach der Mensch gestrickt ist, geht es um etwas, was uns die Gehirnwäsche der Kunstwelt als Kunst verkaufen und die geistreichen, schwülstigen Worte sogenannter Sachverständiger der Kunst als tiefgründig und wertvoll vermitteln will.

Hat Kunst nicht auch mit Bildung zu tun? Früher hiess das Fach «bildende Kunst»… Haben das die ganzen Künstler vergessen oder ist das für sie der einzig gangbare Weg aus selbstzerstörerischem Narzissmus, schwersten und behandlungsunfähigen Psychosen, worin es nur noch darum geht, aus seinen schwermütigen, kindlichen oder manischen Launen heraus irgend etwas Perverses, Provokatives und Schräges aus den tiefsten, dunkelsten Grundtiefen der Seele heraufzuwürgen und auszukotzen? Ist es nicht die Pflicht eines Werkes, seinen enorm teuren Platz durch ein exzellentes Attribut, durch eine beinah übermenschliche Eigenart zu rechtfertigen, zu würdigen und sich so Bewunderung und Respekt zu verschaffen? Ich bin Grafikdesigner und Fotograf und habe mich die letzten 20 Jahre sehr viel mit Kunstgeschichte, Farbe, Form, Abständen, Gewichtungen und allgemeinen Kunstdiskurs auseinandergesetzt aber ehrlich, 90% der ausgestellten Fotos und Bilder, würden bei meinem Kunstverständnis in einem grossen Bottich als mehr oder weniger ernstzunehmende erste Ideen und Skizzen für zukünftige Projekte liegen. Da hingen unscharfe, verpixelte, mit JPG-Artefakten und Bilderrauschen überzogene, banale und in keinster Weise beachtungswürdiges Fotomaterial, die eher unkontrollierten Schnappschüssen mit einer Lomo-Kamera in angetrunkenem Zustand ähnelten. Da lagen Schuhe in einer bestimmten Anordnung, ein bettähnliches, mit Brandlöchern verunstaltetes Gebilde, lehnte ein mit einer blutähnlichen Flüssigkeit überströmten und ausgehärteter Plastikvorhang… Und bitte, wenn man schon komplett computergenerierte 3D-Grafiken ausdruckt, sollten diese vielleicht qualitativ beziehungsweise in ihrer Anmutung schon ein bisschen besser gemacht sein, als eine Probevisualisierung für ein nahes Bauprojekt.

Kalte Regionen der Welt beheizen

Mit gut 90% der Ausstellungsexponaten könnte man die kalten Regionen der Ukraine, Russland und der USA beheizen – ein wahrer Gewinn für die dort lebenden Menschen, wenn man von der nachträglichen Umweltverschmutzung durch Eisenabfälle, verbranntem PVC, Gummi und Farbe absieht. Wirklich schade um jedes Rohmaterial, das für diese Art Kunst vergewaltigt und entwürdigt wird. Der absolute Höhepunkt meiner Belastungsgrenze waren eine weisse, grosse Leinwand mit 4 grosszügig gemachten, neongelben Pinselstrichen, eine Urinflaschen-ähnliche rote Vase auf einem alten Stuhl oder ein an einem Stahldraht aufgehängter Metallstab für $ 15’000.-. Da versteht einer die Welt noch.

Nun gut, einige Exponate erreichten meine Bewunderung dennoch. Die Menschen dieser etwa 20 wirklich genialen Werke berührten mich – einerseits durch ihren wahrhaft gekonnten Pinselstrich, der minutiös geplanten und ausgeführten Verarbeitung kleiner Dinge zu einem grossen Gesamtwerk, ihren überaus tiefsinnigen, cleveren und geistreichen Ideen oder dem Wahnsinn, ein altes, unscheinbares Polaroidfoto fotorealistisch auf 4×4 Meter in Ölfarbe nachzumalen. Oder der riesengrosse Schmetterling, der aus hunderten Schmetterlingen zusammengesetzt war. Überhaupt all die übergrossen fotorealistischen Malereien, einfach der Hammer. Oder Jeff Koons, der Aluballons mit all ihren feinen Details in tonnenschwerem Stahl so realistisch nachgebildet hat, dass die Gebilde luftig und leicht aussehen. Diese Menschen haben sich etwas wirklich Grosses einfallen lassen, das einfach jeden zum Staunen bringt und dies auch noch technisch, visuell und räumlich umzusetzen gewusst.

Die nächste Art findet bei uns statt

Ja, kommen Sie nächstes Jahr zu uns an die Art! Für nur CHF 35.- Eintritt schwelgen Sie in ganz neuen Sphären der Kunst! Ich und meine Partnerin drehen sich – bemalt mit Worten – nackt im Kreis, kacken Farbeier und geben alle 10 Sekunden tierische Laute von uns, entdecken Sie sich drehende, neongelbe WC-Rollen, eine Zimmerdecke voller Tonkrüge und angemalte Barbiepuppen auf dem Fussboden. Erleben Sie hautnah die dogmatische, stereotype Dysbalance von Künstlern, die mit austauschbaren Materialien den vergänglichen Paradigmawechsel im Lebensraum vermitteln. Greifbar unnahbar, verletzlich, unzeitgeistlich, grotesk und fleischlich. Alles klar? Nun ja, auch egal, es geht ja nur ums Dabeisein und sehen und gesehen werden, oder?!

Fazit

Die Art Basel findet immer mehr im Portmonnaie der Besucher und derjenigen statt, die die Werke als Geldanlage in Tresor, Haus und Hof erwerben und mit ihren lippenaufgespritzten, jungen Vorzeigedamen durch die Anlage schlendern, für Oligarchen und Reiche, die über den Toaster diskutieren, der schräg in einer mit Kinderzeichnungen übersäten Box liegt und für $ 25’000.- den Besitzer wechselt. Ein Umschlagsplatz für Geldanlagen.

Ich werde mein ehrlich und hart verdientes Geld in Zukunft auf jeden Fall wieder in einen geistreicheren Ausflug in Museen investieren, die Werke von Boticelli, Rembrandt, Sir Singer Sargent, Jesario Mussini, Michelangelo oder Da Vinci zeigen – Werke mit ein bisschen mehr Seele, Charakter und Respekt vor dem Betrachter und der Kunst per se. Oder ich besuche ein schönes Ballet, das ich im Einklang mit meiner Partnerin geniessen kann. Ich bin jedenfalls das letzte Mal in die Falle der Art Basel gefallen.

Weitere Beiträge

Brunnen-Kaiserstuhl-Wassernixe-schräg
01.09.2021

Hä, was macht denn Starbucks in Kaiserstuhl? Ja, es ist Tatsache, die Sirene ist auf dem Widderbrunnen. …

04.09.2018

Genuss für Augen.Genuss für Augen.Milano lässt's kaltMan muss kein Hedonist sein, um Eis lecker zu finden. Bereits als Kind wurde unser Gaumen auf dieses eisige Nass vorbereitet, dass uns unser Leben lang begleitet hat und begleiten wird. Wenn …

Grundbild-Projekttipps
10.03.2020

Wie man mit einer Design Strategie einen erfolgreichen Auftritt mit durchgehendem Erscheinungsbild erstellt. …